Projektbeschreibung

Das Forschungsprojekt PaLaFra, unterstützt durch die französische ANR und deutsche DFG, hat zum Ziel, die Möglichkeiten zur Erforschung des Übergangs vom Spätlatein zum frühen Altfranzösischen zu verbessern. Drei Forschungsgruppen der Universität Lille, der ENS in Lyon sowie der Universitäten Regensburg und Tübingen arbeiten hierfür an der Erstellung der zwei digitalen Subkorpora PALAFRAFRO-V2-1 und PALAFRALAT-V2 (Zugang über TXM).

Es ist bekannt, dass die Rekonstruktionen der Historisch-Vergleichenden Sprachwissenschaft keine direkte Verbindung zwischen den ersten romanischen Texten und dem Spätlatein herstellen können. Zwischen dem Proto-Romanisch, das durch den Vergleich der romanischen Sprachen ermittelt wird, und dem schriftlich überlieferten Spätlatein klafft eine Lücke, ein no man’s land, das die unmittelbare Ableitung der romanischen Strukturen aus dem überlieferten Sprachmaterial unmöglich macht. Der Abstand ist nicht zeitlich bedingt, denn das Spätlatein und die romanischen Varietäten koexistieren in einem gemeinsamen Kommunikationsraum. Sie entwickeln sich als sprachliches Kontinuum, in dem innovative und konservative Merkmale, bedingt durch die Komplementarität von (lateinischer) Distanzsprache und nähesprachlichen (romanischen) Varietäten, unterschiedlich gebündelt sind, solange, bis die romanischen Idiome eigenständig werden und ein Diskontinuum entsteht.

Das Forschungsprojekt macht es sich zur Aufgabe, diese komplexe Entwicklung am Beispiel der Ausgliederung der altfranzösischen Varietäten aus dem (spät-)lateinischen Varietätenraum zu untersuchen. An diesem Vorhaben sind latinistische und romanistische Forscher beteiligt sein, die den Übergang zwischen den sprachlichen Systemen von beiden Seiten beleuchten.

Es vereint drei Arbeitsgruppen:

  • Die deutsche Arbeitsgruppe, angesiedelt in Regensburg und Tübingen, bringt ihre linguistische Expertise auf dem Gebiet des Spätlateinischen ein. Ausgehend von den Textsammlungen der Monumenta Germaniae Historica entsteht in Zusammenarbeit mit Medieninformatikern ein digitales lateinisches Korpus, das morpho-syntaktisch annotiert und lemmatisiert ist.
  • Die Arbeitsgruppe in Lyon stellt ihre bereits seit langem erprobte korpuslinguistische Erfahrung zur Verfügung. Sie erweitert das altfranzösische Korpus (Base de Français Médiéval) und verfolgt dessen Lemmatisierung weiter. Sie sorgt für die Zusammenführung des lateinischen und altfranzösischen Korpus, für dessen gemeinsame Präsentation und für parallele Abfragemöglichkeiten. Außerdem arbeitet sie an einem zweisprachigen Korpus altfranzösischer Übersetzungen von lateinischen Texten, das ein wichtiges Instrument für den Sprachvergleich darstellen wird.
  • Die Gruppe in Lille koordiniert die Auswertung dieses zweisprachigen lateinisch-altfranzösischen Korpus durch eine bereits eingerichtete Arbeitsgruppe aus Latinisten und Forschern zur altfranzösischen Sprachgeschichte. Die Arbeitsgruppe nutzt die vom Projekt zur Verfügung gestellten Daten bei der Abfassung eines Handbuchs zum Übergang vom Spätlatein zum Altfranzösischen. Auf diese Weise können die Analyse- und Annotationsstrategien, die im Projekt entwickelt werden, direkt auf ihre Brauchbarkeit und ihr ergonomisches Profil hin überprüft werden.